Die Ausbreitung der Improvisation in der zeitgenössischen klassischen Kunstmusik ist heute ein Bereich, der sich auf die vielen kompositorischen Experimente und konvergierenden Musikstile der 1950er Jahre zurückführen lässt. Dies wird in meiner Doktorarbeit behandelt, indem ich die Improvisation in einen notierten und komponierten Ensemblekontext einführe. Die wichtigsten Forschungsergebnisse sind Partituren und Aufnahmen von über einer Stunde Musik, die für eine Vielzahl verschiedener Ensemblekonfigurationen geschrieben wurden. Die komponierten Werke basieren auf vielen der Innovationen und Techniken der bahnbrechenden Komponisten Edgard Varèse (1883–1965) und Charles Mingus (1922–79).

Varèses Umgang mit dem Raum ging über den vertikalen Abstand zwischen den Instrumentalregistern und der horizontalen Platzierung des Rhythmus hinaus, bis hin zu der Idee, dass Musik offen genug sein muss, um einem musikalischen Gedanken oder Klang zu erlauben, seine eigene Richtung zu verfolgen. Parallel dazu entwickelte sich Mingus' kollektive Improvisation, um Methoden und Effekte zu integrieren, die der modernen Konzertmusik entlehnt waren, darunter die Übernahme erweiterter Instrumentaltechniken zur Erzeugung von Klangeffekten und das Schreiben episodischer Stücke. In meine komponierten Werke sind viele von Varèses Manifestationen des Klangraums eingeflossen, und inspiriert von Mingus wurden diese erweitert, um den Spieler*innen einen neuen Bereich der Freiheit zu bieten. Die Forschung beinhaltet die Entwicklung eines originellen Anweisungsrahmens, der die Musiker*innen dazu anregen soll, die Spieltechniken der geschriebenen Noten zu variieren, einschließlich der Veränderung von Verbindungen, Länge und horizontaler Platzierung. Diese werden durch schriftliche Aufführungsaktionen ergänzt, um die Aushandlung und Interaktion im Ensemble zu steuern, einschließlich der Frage, wie das Material innerhalb eines Werkes angepasst, fragmentiert und wiedereingegliedert werden kann.

Ensemble Density hat viele der während dieser Forschung entstandenen Werke aufgeführt.

Buchkapitel

Laura Karpmans kompositorische Stimme ist sofort erkennbar, ob sie für Film und Fernsehen, interaktive Spiele, Theater oder die Konzertbühne schreibt. Ihr musikalisches Vokabular hinterfragt Genre-Vorurteile, indem sie Orchester, Jazz, Elektronik, Samples und gesprochenes Wort vermischt und Medien über eine Vielzahl von Plattformen hinweg kombiniert. Dieses Kapitel untersucht Karpmans Beherrschung des Aufnahmestudios als facettenreiches Instrument zur Schichtung disparater Klangelemente und bezieht sich auf mehrere ihrer Hauptwerke – Taken (Fernsehserie), Regarding Susan Sontag (Dokumentarfilm), Paris Can Wait (Film), EverQuest II (Videospiel) und Ask Your Mamma (Konzertwerk).

Karpmans Sinn für Richtung und Ziel geht über Kompositionstechniken hinaus. Sie setzt sich dafür ein, positive Veränderungen in Industrien einzuleiten, die erst jetzt beginnen, die genderspezifischen Einschränkungen anzuerkennen, die den Beitrag von Frauen traditionell begrenzt haben. Neben einer wachsenden Liste von Referenzen, die sie als Dozentin für Filmkomposition an großen amerikanischen Universitäten erworben hat, ist sie die erste Frau, die in den Academy of Motion Picture Arts and Sciences Board of Governors gewählt wurde.

Traditionell wird die Partitur als eine Art Papiervorlage betrachtet – von links oben beginnend, unter Einhaltung eines bestimmten Tempos und einer bestimmten Instrumentierung. Sustain ist meine Interpretation von Klang-Ökologie und beinhaltet die Betrachtung dessen, was eine Partitur sonst noch ausmachen kann. Bilder, Geschichten, Muster, soziale Prozesse, Objekte oder Worte sind allesamt kohärente Partituren – sie alle deuten eine bestimmte musikalische Stimmung, Dichte, Geschichte, Stil und Form an.

Beispielsweise können weggeworfene Objekte – und ihre grafischen und textbasierten Interpretationen – zu Einladungen zur Zusammenarbeit werden. Sie sind so angeordnet, dass sie an das erinnern, was der Erfinder der Konkreten Poesie, Eugen Gomringer, als "Spielwiese" [1] bezeichnet. Gerald Bruns beschreibt diesen als einen mehrdimensionalen Ort, den es zu besetzen gilt, und in den Worten von Lyn Hejinian bewegt man sich durch ein Werk "nicht in geraden Linien, sondern in Kurven, Wirbeln und über Kreuzungen" [2].

In den letzten Jahren haben Gruppen für zeitgenössische Kunstmusik begonnen, einen kooperativeren Kompositionsansatz zu entwickeln, der die Kunst der Improvisation wieder schätzt, und in dem die Zuhörer*innen nicht länger als passive Beobachter betrachtet werden. Diese Verschiebungen fallen zusammen mit aufkommenden Forschungen im Bereich der Energiegeisteswissenschaften, zum Beispiel in der Literaturkritik und Netzwerktheorie der posthumanistischen Forscherin Katherine Hayles [3]. Dieses Forschungsprojekt zielt darauf ab, nachhaltige Alternativen zum früheren kammermusikalischen und symphonischen – und ressourcenreichen – Kompositionsmodell der festen Besetzung und des Fortschritts durch die Erfindung, Entwicklung und den Verzicht auf Themen zu erforschen. In Sustain werden musikalische Motive und Ideen nicht nur aus vorhandenen Materialien zusammengesetzt und wiederverwendet, sondern die Instrumentierung und das Personal sind so konzipiert, dass sie modular und tragbar sind. Sowohl die Spieler*innen als auch die Aufführungsimpulse werden je nach den zur Verfügung stehenden Ressourcen lokal beschafft.